Brief an die Gemeinde zur ersten Adventswoche

Hoffnungsbringerin Barbara

Liebe Gemeinde, 

 

mein Sohn fragt mich einmal vor vielen Jahren Anfang Dezember, was unsere Nachbarin denn wohl bei dem kalten Wetter - damals lag tatsächlich noch Schnee - im Garten machen würde. Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens fiel es mir wieder ein: Sie stand mit einer Gartenschere am Kirschbaum, um Barbarazweige zu schneiden.

Als mein Sohn dann wissen wollte, was Barbarazweige denn sind, musste ich an meine Großmutter denken, die immer am 4. Dezember, dem Namenstag der heiligen Barbara, in den Garten gegangen war und Zweige vom Kirschbaum geschnitten hat. In der Vase im Warmen passierte es dann ganz zuverlässig: Pünktlich zu Heiligabend waren die Knospen aufgegangen und am Zweig strahlten die weißen Kirschblüten.

Doch wer Barbara genau war, das musste ich im dicken Heiligenbuch meiner Großmutter nachschlagen: 

Barbara lebte vor vielen hundert Jahren mit ihrem Vater Dioskorus in der Stadt Nikodemien im Bereich der heutigen Türkei. Barbaras Vater war Kaufmann und sehr reich. Manchmal musste Barbaras Vater viele Tage verreisen. Er kaufte Waren ein, die er verkaufte. Er hatte neben seinem Haus einen großen, festen Turm gebaut. Darin war ein Zimmer besonders gemütlich eingerichtet. Hier lebte Barbara, wenn ihr Vater auf Reisen war. Er wollte, dass Barbara sicher und geschützt war.

Die Stadt Nikodemien gehört zum Reich des Römischen Kaisers. Der Kaiser war sehr mächtig und wurde von den Menschen verehrt, wie ein Gott. Eines Tages musste Dioskorus wieder für einige Tage fort. Barbara blieb in ihrem sicheren Turm. Dort besuchte sie ein Lehrer. Dieser hatte von Jesus Christus und von Gott, der die Menschen liebt, gehört. Er erzählte Barbara davon. „Gott will, dass die Menschen wie Brüder und Schwestern leben. Gott liebt jeden Menschen so, wie er ist. Gott will unser Vater sein.“ Auch Barbara freute sich über Gott, der die Menschen liebt und nicht bestraft. Sie ließ sich taufen und wurde eine Christin.

Als Dioskorus zurückkam, merkte er, dass Barbara den Kaiser nicht mehr als Gott verehrte. Statt des Kaiserbildes, hatte sie ein Kreuz aufgehängt. In seiner Not ging Barbaras Vater zum Stadthalter des Kaisers, weil er glaubte, vor Gericht würde Barbara sich für den Kaiser entscheiden. Barbara aber sagte: „Der Kaiser ist ein Mensch. Er sorgt für sein Land und für die Menschen. Er ist nicht Gott. Mein Gott liebt alle Menschen.“

Da ließ der Stadthalter des Königs Barbara zum Tode verurteilen. Auf dem Weg ins Gefängnis verfing sich ein kahler Zweig in Barbaras Kleid. Barbara stellte den Zweig in ihren Wasserkrug. An ihrem Todestag blühte der Zweig auf. Der Zweig sah aus wie tot und doch bekam er neues Leben. 

Für mich ist diese Geschichte der heiligen Barbara eine Geschichte der Hoffnung, die mich immer in der Adventszeit begleitet. In den letzten beiden Jahren habe ich diese Hoffnung gern weitergegeben und im Freundes- und Kollegenkreis Barbarazweige verschenkt. Ich war überrascht, wie viele den Brauch kannten, und habe mich über die Bilder von blühenden Kirschzweigen zu Weihnachten sehr gefreut.

Vielleicht gehen Sie am 4. Dezember ja auch in den Garten und schneiden ein paar Barbarazweige - das klappt übrigens auch mit Zweigen von anderen Obstbäumen wie z. B. Apfelbäumen. 

Eine gesegnete erste Woche im Advent wünscht Ihnen

Ihre Andrea Marschall-Langemann

Ältere Beiträge